Montag, 15. September 2014

Erwach(s)en in Thailand

Aufwachen. Das tut man jeden Morgen. Zu den unterschiedlichsten Uhrzeiten und aus den unterschiedlichsten Gründen, aber irgendwann wacht man auf. Vielleicht wurde man von seinem Wecker aus Träumen gerissen, schöne oder nicht so schöne. Ich persönlich brauche nach einem Traum meist erstmal eine kurze Zeit bis ich realisiert habe, dass ich erst jetzt wieder in der "realen" Welt angekommen bin. Von daher bin ich ganz froh, hier nicht so oft zu träumen da ich mir sowieso jeden Morgen in Thailand erstmal wieder vor Augen führen muss, dass ich tatsächlich hier bin. In einem Land was mir vor zwei Monaten noch so fern erschien, bei einer Familie von deren Existenz ich bis vor Kurzem nichts wusste. Dann liege ich meist für ein paar Minuten einfach da und lasse das ganze auf mich wirken. Das Hahnengeschrei vermischt mit dem Hundekläffen vor dem Fenster; das so wichtige Mückennetz wo oben drauf jeden Morgen Hinterlassenschaften der Eidechsen und/oder Mäuse liegen die über meinem Zimmer auf den Balken turnen; das tägliche Sonnenlicht was durch das Plastikfenster fällt.
Aufwachen tut man von alleine, da hat man keinen Einfluss drauf. Danach kommt aber das Aufstehen und darauf hat man sehr wohl Einfluss.
Was lässt einen leichter aufstehen, als ein Ziel vor Augen zu haben?
Was ist mein Ziel? So allgemein kann ich das gar nicht sagen, auch ich muss mir das jeden Morgen nochmal neu vor Augen führen. Manchmal weiß ich, dass ich an dem Tag einen Ausflug mache, dann geht das Aufstehen fast von alleine. Oder ich höre meine Schwester schon draußen den Reis aufsetzen, dann erinnere ich mich, dass ich als erste dusche und je später ich aufstehe desto länger müssen alle anderen auf das Bad warten. Also schnell raus aus den Federn.
Aber auch ich habe manche Morgende einen kleinen Hänger. Da liege ich im Bett und denke 'Was mache ich hier eigentlich'? Den Schülern vernünftig Englisch beibringen sicher nicht, das ist, vor allem bei der meist fehlenden Motivation der Schüler, so gut wie ein Ding der Unmöglichkeit. Bringt das hier überhaupt was?
Ja das tut es! Schon alleine was ich jetzt schon alles gelernt habe. Nicht nur über neue Kulturen, Ansichten und Meinungen, ganz besonders lerne ich über mich. Darüber seinen Weg zu gehen. Das ist aber manchmal gar nicht so leicht. Gerade war man noch das kleine Mädchen was bei den Eltern auf dem Schoß saß und plötzlich steht auf dem Perso dass man Erwachsen ist. 18. Man bekommt sein Abi, den Führerschein die Unizulassung und steht dann in Thailand. Ohne Mama und Papa. Ohne Alltag. Ohne Anweisungen.
"Du bist erwachsen, du machst das jetzt alleine", sage ich mir oft und will auch entsprechend behandelt werden. Aber trotzdem ist 18 letztendlich nur eine beliebig gewählte Grenze und manchmal ist es doch sehr hart in dieser fremden Kultur. Wo einen die Menschen oft nicht nur von der Sprache sondern auch von der Sichtweise nicht verstehen hat man manchmal das Gefühl alleine zu sein. Und dann ist es manchmal schwer, den "kindischen Wunsch" nach Mama und Papa zu unterdrücken und sich wieder in Erinnerung zu rufen, dass man das nun jetzt mal alleine packen muss. Helfen tun dabei ironischer Weise gerade die Mails meiner Eltern. Aber auch der Kontakt zu anderen Freiwilligen. Letztendlich ist jedoch keiner in der gleichen Situation und eins muss man eben doch alleine machen: das Aufstehen. Man kriegt Hilfe aber die Entscheidung liegt bei einem selbst.
Und wenn ich dann auch erstmal wieder stehe (in beiderlei Hinsicht) bin ich doch immer wieder geplättet was für neue Erfahrungen ich hier mache und wie viele tolle Menschen ich hier kennen lerne. Und ich bin auch immer wieder erfüllt von unendlicher Dankbarkeit. Ich denke es gibt nicht viele Menschen die jemanden in die Familie aufnehmen der die Sprache nicht spricht, sich jemandem annimmt um einfach für ihn da zu sein, ganz ohne Eigennutzen (besonders meine Advisorin). Viele denken fälschlicherweise über Freiwillige wie mich, dass WIR die Helfer sind. Aber in erster Linie wird UNS geholfen, wir sind die Lernenden. Aber diese Erfahrung können wir teilen, wir können lernen und dadurch später lehren. So läuft das. Wenn man denkt, man kann als Freiwilliger die Welt verändern und ist Helfer in der Not ist das Schwachsinn. Die Projekte, in meinem Fall Schule, können auch gut ohne uns. Ich erlebe zwar schon sogar recht große Dankbarkeit für meine, meiner Meinung nach, sehr kleine Hilfe aber das muss man nicht erwarten.
Ich denke das Wichtigste ist das, was man von dem Jahr hier mitnimmt und später damit macht. Da können dann die großen Dinge draus werden. Der Dienst an sich ist, neben der Selbstfindung, jedoch auch wichtig im Bezug auf Verständnis und Toleranz. Interkulturelles Lernen. Ich wüsste nicht was wichtiger ist in einer so internationalen Welt wie der unseren.
Falls ihr also die Möglichkeit habt für längere Zeit ins Ausland zu gehen macht das!! Taucht ein in eine neue Kultur, lasst euch darauf ein, seht zu und lernt - ich denke niemand wird das bereuen.
Jetzt aber wieder zu der Überschrift dieses Eintrags, zurück zum Erwach(s)en bzw dem Aufstehen. Mein Ziel was mich aus dem Bett treibt habe ich ja nun ausreichend erläutert. Da stellt sich mir jedoch die Frage, was z.B. meine Geschwister morgens aus dem Bett treibt. Nehmen wir mal die ältere meiner Schwestern. 16 Jahre, 10. Klasse, wohnt bei ihrer Tante, die Mutter in Bangkok, schmeißt den Haushalt besser als manch eine Mutter,  nicht sonderlich gut in der Schule, eher verschlossenes schüchternes Mädchen. Wovon träumt sie? Was für eim Ziel treibt sie aus dem Bett? Ich weiß es nicht.
Bei einem Gespräch mit meiner Mä über die zukünftigen Jobs meiner Geschwister wurde bei den Mädchen von Krankenschwester und Lehrerin gesprochen. Das wollen meine Gasteltern. Die Jüngere kann sich Lehrerin wohl auch vorstellen. Bei der Älteren wusste meine Mä gar nicht so genau was sie will. "Ich denke Krankenschwester". Der Bruder soll Soldat werden will der Vater. Das möchte er aber nicht, er möchte Fernsehstar oder Model werden. Meine Mä hat aber sehr deutlich gemacht, wie viel der Vater (bzw. ja eigentlich Onkel) davon hält. Und in Thailand hat man ein anderes Verhältnis zu seinen Eltern. Wiederspruch gibt's da nicht. Zumindest meiner Erfahrung nach, es gibt sicher auch andere Familien hier wo die Kinder Wiederspruch geben können. Dazu erzogen, wie in Deutschland, wird man hier aber nicht. Es tut manchmal fast schon weh die sehnsüchtigen Blicke meines Bruders zu sehen, wenn ein sehr erfolgreicher Ladyboy-TV-Star auf der Flimmerscheibe erscheint.
Generell ist es hier üblich, dass die Frauen eher kleinere Jobs haben und man in der Nähe seiner Familie bleibt. Eine Lehrerin an meiner Schule kommt aus der Nähe des über 10 Stunden entfernten Bangkoks und wird somit von den anderen schon als "anders" angesehen. Die meisten wohnen schon seit ihrer Geburt hier im Dorf oder der Umgebung. Und viele Lehrerinnen haben auch keinen Mann/Freund. Sie sagen, das würde sie zu sehr einschränken weil sie ihn dann immer um Erlaubnis bitten müssten.
Ich kann mir ein Leben so nicht vorstellen. Immer an einer Stelle, sich den Entscheidungen der Eltern beugen, für die Zukunft zwischen Familie oder zwei Jobs wählen. Liebe und Freiheit haben hier andere Bedeutungen als ich es gewohnt bin. Ich will nicht sagen Deutschland bzw meine Sicht ist die bessere oder richtigere, weil das ist Schwachsinn. Thailands Kultur ist nunmal anders und ich hoffe, dass ich das noch verstehen werde. Wie das hier läuft mit dem Aufstehen, dem Erwachsen werden, den Träumen. Vielleicht, sogar sehr wahrscheinlich, denkt man hier aber auch nicht so weit. Man denkt an Morgen, an die nächste Mahlzeit, an die nächste Stunde. Zukunftstress, wie man ihn in Deutschland oftmals findet (Abi zb) gibt es hier so nicht. Seinen Abschluss kriegt jeder und Arbeit findet man auch, denn im Dorf kennt man ja alle oder man übernimmt einfach das der Eltern. Mit der Sichtweise lässt sich auch erklären, warum Thais doch sehr viel genügsamer sind und oft zufrieden und glücklich (scheinen?).
Ich mit meinem zukunftsorientierten Blick kann da noch viel lernen aber ich denke die gesunde Mischung machts.
Aber da fällt es schon wieder, das Wort. Lernen. Und das muss ich und tue ich hier viel.
So - genug rumphilosophiert. Lasst es euch gut gehen!
Insa

P.S. das ist alles meine Sichtweise. Ich merke hier wie deutsch ich doch eigentlich bin und lerne Dinge an Deutschland zu schätzen die mir vorher nicht bewusst waren oder ich sogar nervig fand. Andere Freiwillige hingegen fangen an, vieles an Deutschland zu hinterfragen. Einen ganz passenden Eintrag findet man dazu auf dem Blog von Nico ("Das Land als Kugel").

P.P.S. die Überschrift ist aus einer der Mails meines Vaters geklaut. :D

Montag, 1. September 2014

Du merkst, dass du in Thailand bist, wenn...

.... du die Schrift nicht lesen und die Leute nicht verstehen kannst

... überall Reisfelder sind und du dir im Auto alle paar Sekunden denkst "verdammt ist Thailand schön!"

... dir morgens um 8 Uhr beim Flagge-hissen schon so heiß ist, dass du dich fragst wie du den Rest des Tages überstehen sollst.

... die Autos auf der linken Seite fahren.. bzw fahren sollten

... die Aufnahmekapazitat von Autos, PickUps und Motorrädern mehr als überstrapaziert wird

... Autofahrten eher einem Schleudertrauma gleichen (Schlaglöcher!)

... man immer Reis isst. Besonders gerne sticky rice.

... man mit Fragen wie "hast du schon Reis gegessen?" begrüßt wird

... wenn einer nießt, dass keiner reagiert.

... Happy Birthday schneller gesungen wird und man dabei in die Hände klatscht

... an Tankstellen man zum tanken nicht aussteigen muss. Da arbeiten Menschen, die das Auto betanken und bezahlt wird am Fahrerfenster.

... alle immer und zu jeder Zeit ans Handy gehen.

... keiner sich schämt laut und vor anderen zu singen

... die Schüler und auch sonst fast jeder gar nicht odernur sehr schlecht Englisch sprechen.

... sich jeder ständig Babypuder ins Gesicht schmiert.

... bei selber Stunden- und Minutenzahl auf den Tisch geklopft wird.

... keine Autofahrt ohne hupen vergeht.

... viele große Angst vor Geistern, Donner, Stromausfall u.ä. haben. Nicht nur die Kinder.

... man als 18-jährige behandelt wird wie eine 5-jährige und nichtmal alleine joggen gehen darf. Da heißt es durchatmen und nicht aufhören zu reden und zu erklären, dass man gut auf sich selbst aufpassen kann.

... im Restaurant der Rest des Essens in Tüten gepackt und mitgenommen wird.

... die meisten nicht schwimmen und/oder Fahrrad fahren können.

... Rollerfahren ab 13 Jahre offiziell erlaubt ist.

... man Getränke in Tüten kaufen kann.

... überall Hunde, Ameisen und Mücken sind.

... man ständig die leckersten und tollsten Sachen probieren kann.

... jeder Som Tam (seeeehr scharfer Papayasalat) liebt... außer dem Farang (Ausländer, also mir).

... wenn man irgendwo das erste mal hinkommt einen jeder anstarrt und überall die Worte "Farang, Farang" zu hören sind.

... man reich wäre, würde man für Fotos Geld nehmen.

... generell ALLES gefilmt und/oder fotografiert wird. Darum laufen auch den ganzen Tag, neben kitschigen Serien, Nachrichten von dem Unfall dort und einem Überfall hier usw.

... man entsprechend dem Punkt drüber bei einem Unfall anhält und gafft. Es sei denn man hat Angst vor Geistern (meine Schwester) oder findet es völlig daneben (ich).

... Beerdigungen eher einer Party gleichen und man die Person auch nicht unbedingt gekannt haben muss um hinzugehen.

... Ventilatoren zu einer der wichtigsten Dinge am Tag werden. Neben Reis natürlich.

... jeder sich bei dem kleinsten Mückenstich Sorgen macht. Die man auf heller Haut leider sehr gut sieht und zur genüge bekommt.

... Entfernungen wie drei Stunden plötzlich winzig klein erscheinen.

... man merkt wie toll Deutschland doch eigentlich ist.

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Die Idee zu einem Eintrag dieser Art ist von anderen Blogs geklaut. Einen ähnlichen findet ihr z.B. in dem Blog von Maurizio, der auf der AFS-Seite (s. rechts) verlinkt ist.
Und bitte bedenkt IMMER, dass das alles hier nur meine persönliche Meinung ist.