Dienstag, 19. Mai 2015

Karneval – oder von Raketen im Regen

Festtagsumzüge mit aufwändig geschmückten Wagen, verkleidete Menschen und Alkohol überall… Ja jeder Kölner weiβ welche Zeit das ist. Die fünfte Jahreszeit: Karneval
Nun ist Karneval jedoch schon vorbei und ich nicht in Köln sondern in einem kleinen Dorf an der Grenze zu Laos. Was hat es also mit den Verkleideten und Besoffenen auf sich?
Während mit Karneval eine eigene “Jahreszeit” gefeiert wird, wurde hier mit dem dem so genannten Rocket-Festival (Raketen-Fest) eine der drei Jahreszeiten eingeläutet: Die Regen- sprich Reisanbau-Zeit und somit die wichtigste Zeit für Thailands (Ess)Kultur. Das ist aber dann auch schon das Einzige, was ich über den Hintergrund weiβ.
Warum die Regen-Reis-Zeit ausgerechnet mit einem Raketen-Fest eingeläutet wird weiβ ich auch nicht, vielleicht sollen die Raketen den Regen symbolisch auf die Erde hinab schieβen, keine Ahnung.
Auf jeden Fall habe ich den Tag, wie nicht anders zu erwarten, bei Alena verbracht.
Um 11 Uhr morgens wurden wir von ihrer Advisorin abgeholt um uns entsprechend einkleiden zu lassen. Wir hatten die Wahl zwischen Isan- und Vietnamklamotten. Entschieden haben wir uns recht schnell für die dünneren Vietnam-Kleider, da es trotz Wolken und vorraussichtlichem Regen zum zerflieβen heiβ war.
Um ein Uhr ging es dann los zum Versammlungspunkt aller Festtagsumzug-Teilnehmer.
Wir waren keine Teilnehmer und wollten uns eigentlich am Straβenrand aufstellen um den Umzug anzuschauen. Dann ging jedoch – passend zum Festival – ein enormer Regenguss auf alle herunter. Also musste sich jeder erstmal für eine Weile etwas zum unterstellen suchen.
Als nach ca. 20 Minuten immernoch kein Ende in Sicht war, haben sich die mit allen Wassern gewaschenen (der musste sein ;)) Umzug-Teilnehmer einfach im Regen aufgestellt und haben ihre Runde um den Block begonnen. So läuft das in Thailand. Da stoppt einen kein Regenguss!
Wir haben dann einfach darauf gewartet, dass der Umzug nochmal an uns vorbei kommt.
Während dem Warten  haben wir alle weiβen Whiskey bekommen und die Aufgabe, diesen dem vordersten Mann des Umzugs in eine Schale zu schütten.
Als dieser sich nährte haben wir das natürlich auch brav gemacht… und dann bin ich sofort wieder an den Straβenrand geflohen. Alena war nicht so schnell und hat das abbekommen, was ich befürchtet habe: Whiskey im Haar.
Denn der Mann hat den gespendeten Alkohol dazu benutzt ihn über die Leute zu spritzen.. soll wohl Glück bringen. Auf alkoholisches Glück und klebrige Haare konnte ich jedoch in diesem Fall getrost verzichten.
Den Rest des Umzugs haben wir versucht uns so unsichtbar wie möglich zu machen. Das hat aber als weiβe, hellhaarige Farangs im Vietnam-dress mehr schlecht als recht geklappt und so wurden wir zum ungewollten Mittelpunkt unseres Straβenabschnitts.
Um zu verstehen, warum uns das so unangenehm war muss ich eine Sache erklären:
In Alenas sowie in meinem Dorf werden eigentlich nie Ausländer gesehen und wenn doch sind es alte Männer. Darum sind alle immer neugierig wer wir sind und was wir hier tun.
Um das heraus zu finden wollen alle mit einem reden. Wenn das aufgrund der Sprachbarriere nicht geht wird uns wenigstens ein “Hello” entgegen gerufen und wenn dazu keine Zeit bleibt tuts auch die Autohupe und lautes Gebrüll.
Das ist an den meisten Tagen völlig okay, weil man den Dreh raus hat, wann man das einfach ignoriert, wann ein Lächeln reicht und wann man etwas erwiedern sollte.
Sind Thais jedoch besoffen reicht ignorieren nicht mehr. Dann will JEDER mit einem reden (auch die, die sonst zu schüchtern dafür sind) und warten dann solange bis es eine Reaktion gibt.
Und das ist bei einem Festtagsumzug, wo der Whiskey wortwörtlich in der Luft liegt und man keinen Fluchtweg hat vor all den Alkohol-Fahnen die einem ins Gesicht schlagen irgendwann echt anstrengend!
Troztdem war es auch lustig zu sehen, wie das halbe Dorf grölend und ohne der sonst so hoch geschätzten Thai-Manier durch den Regen und Matsch an einem vorbei lief.
Besonders belustigend und erstaunlich fanden Alena und ich es, als eine blaugekleidete Ladyboy-Fee auf uns zugeschwebt kam (vielleicht kam sie uns auch nur so elegant vor da sie als eine der wenigen noch geradeaus laufen konnte) und uns Kondome hinhielt.
Diese hat Alenas 60jährige Advisorin dann ohne das Gesicht zu verziehen genommen, sich bedankt und sie eingesteckt.
Als sie das Erstaunen in unseren Gesichtern gesehen hat, hat sie erklärt, dass das ihr Neffe war. Er arbeitet in einer Anti-Aids-Kampagne.
Überrascht war ich zwar immernoch aber sehr positiv.
Eigentlich sollte es Abends noch für eine Show in den Tempel gehen. Das haben wir dann aber gelassen denn laut Alenas Advisorin wären wir da “not safe. Too many drunk people”.
So endete der Tag etwas früher als erwartet aber trotzdem fiehlen wir Abends hundemüde und mit brummendem Kopf ins Bett.
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Da die Überschrift “Karneval” lautet bietet sich mir die Möglichkeit von etwas anderem, was mich sehr überrascht hat, zu berrichten.
Beim Rumreisen saβ ich an einem Abend mit Alena (wohnt Nähe Frankfurt), einer Freiwilligen von der Nord- und einer von der Ostsee beim Abendessen.
Irgendwann kamen wir auf Karneval zu sprechen, da sich herrausstellte, dass die anderen alle zu der Zeit kein Schulfrei bekommen.
 Ich  wurde dann gefragt, ob wir in Köln denn auch so richtig geschmückte Wagen haben und Umzüge.
Ich fragte ob sie Karnevalsumzüge meint und als mir das bejaht wurde, musste ich mich doch erstmal sehr beherrschen nicht laut aufzulachen. Das konnte sie doch nicht ernst meinen? Aber sie meinte es vollkommen ernst.
“Aber Karnevals- bzw. Stunksitzungen kennt ihr oder?”
Zweifaches verneinen (Alena war sich nicht sicher).
“11er Rat? Dreigestirn?”
Dreifaches Nein.
Das konnte ich so nicht belassen und bei meinem darauf folgenden Karnevals-Crashkurs drängte sich mir immer mehr ein Gedanke auf. Als ich dann sogar um Übersetzung einiger Worte gebeten wurde (Kamelle, Strüssje, Alaaf) musste ich es mir eingestehen: Die kennen wirklich keinen Karneval!
Nach diesem Gespräch war unser aller Bild von Deutschland glaub ich erstmal etwas erschüttert und eine Freiwillige hat irgendwann nur noch den Kopf geschüttelt und mich gefragt, ob ich überhaupt noch in Deutschland lebe. Das sei ja eine komplett andere Kultur die sich ihnen da eröffnet.
Da wurde uns allen aber eins auch nochmal ganz deutlich bewusst: Man muss nicht 10.000 Kilometer verreisen um eine neue Kultur kenne zu lernen. Manchmal reicht es auch sich erstmal im eigenen Land umzuschauen. Da gibt es anscheinend sehr viel mehr zu entdecken als uns bewusst ist! Und das geht sicher nicht nur uns, sondern auch einigen “alten Hasen” so ;)

Also haltet die Augen offen , die Ohren steif und lasst es euch gut gehen.

P.S.: Im folgenden seht ihr Fotos vom Rocket-Festival aber auch von Alenas Schule und der Umgebung, damit ihr mal seht wo wir uns immer so rumtreiben.



Im Vietnam-Dress (und ganz motiviert :D)

Versammlungspunkt im Regen


Da knieten sie im Regen

...nicht alle schienen das so toll zu finden

Da kam das Whiskey-Glueck ueber Alena


Anti-Aids-Fee

Handtuch-Kopftuch gegen den Regen

Der Junge hatte kein Handtuch mehr bekommen

Daraus wurden die Raketen geschossen

Die (immer geschlossene) Kirche in DonTan

Auf dem Schulgelaende

Sportplatz und ganz im Hintergrund die Schule

Weg zu Alenas Haus

Ihr Haus (oben rechts ist ihr bzw. unser Zimmer ;))

Da holen wir uns meist unser Mittag- oder Abendessen

Schwanzfeder-gestutzter Ara im zu kleinen Kaefig
(Ich ueberlege immer eine naechtliche
Befreiungsaktion zu starten wenn ich ihn sehe)

Regen (waerend wir auf unser Abendessen warten)

3 Kommentare:

  1. Alaaf, was für ein schöner Bericht: augenzwinkernd, witzig und philosophisch zugleich. Was haben wir gelernt? Das Fremde ist manchmal auf der anderen Seite der Erdkugel, manchmal direkt nebenan!
    Noch 28 Tage.....
    Ich freue mich schon gewaltig auf dich!
    Stephan

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  2. Das mit dem Karneval kenn ich nur zu gut :D Als ich hier hoch gezogen bin hatte ich Probleme mich daran zu gewöhnen das es während der Karnevalszeit nur ein kleines Zelt auf dem Marktplatz gibt. Mit der Kultur hast du recht, das fällt einem noch stärker auf wenn man in der Saison täglich mit Touristen aus ganz Deutschland zu tun hat :) Ich wünsch dir noch ganz viel Spaß weiterhin in Thailand.
    Liebe Grüße Shaun

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  3. Was macht denn dein nächtlicher Befreiungstrip für den Ara im zu kleinen Käfig? Steht dazu was im nächsten Blog? Wird´s überhaupt nochmal einen Blogeintrag geben? Von Abschied und Heimkehr und so?? Wie schön, dass ich das bald live hören kann. Ich freu mich ganz arg drauf...
    Stephan (Der-Die-Tage-Bis-Zur-Rückkehr-Zählt-Stephan)

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